Montag, 14. Januar 2013

Nachweise für Gladiatorinnen


Die Harvard-Professorin Kathleen Coleman, die ich höchstpersönlich auf der Amphitheater Conference in Chester im Februar 2007 treffen durfte, hat mir folgenden Artikel zukommen lassen, der für das Thema “Gladiatorinnen” wirklich sehr wichtig ist. Ich fasse hiermit folgenden Artikel zusammen:

Stephen Brunet
„Female and Dwarf Gladiaors“
(Mouseion XLVIII – Series III, Vol. 4, 2004)

Das Mißverständnis, daß weibliche Gladiatoren gegen Zwerge gekämpft haben, stammt von sechs Passagen antiker Autoren, die immer falsch übersetzt worden sind bzw. einer dann den Übersetzungsfehler vom anderen abschrieb. Brunet hat dieses nun genauer betrachtet und ist zu dem Schluß gekommen, dass Kaiser Domitian spektakuläre Spiele liebte und deshalb munera bei Fackelschein ausrichten ließ und das Frauen und Zwerge bei seinen Shows auftraten. Aber sie haben nie gegeneinander gekämpft, sondern traten nur bei der selben Veranstaltung auf, aber als separate Programmpunkte.

Martial Sp. 6B und 6 erwähnt, daß Kaiser Titus weibliche venatores (Tierkämpfer) bei den Einweihungsspielen des Colosseums antreten lies. Suetonius Dom. 4.1 erwähnt, dass Domitian Jagden und Gladiatorenkämpfe ausgerichtet hat, die nachts stattfanden und wo eben auch Frauen teilnahmen. Statius erwähnt in seinen Silvae 1.6, dass „Frauen und Zwerge beim selben Spektakel auftraten. Ein zentrales Event war, dass weibliche Gladiatoren kurz vor Einbruch der Dunkelheit auftraten und mit solcher Tugend und Verve gekämpft haben, dass das Publikum dachte, es sieht eine Schlacht der Amazonen.“ Brunet interpretiert den Auftritt der Zwerge als den von Boxern, die ein leichteres Vorprogramm vor der blutigen Darstellung der weiblichen Gladiatoren darstellten, die so tapfer wie Amazonen gekämpft haben. Cassius Dio 67.8 erwähnt ebenfalls, dass Domitian es liebte spiele bei Einbruch der Nacht auszurichten, wo Zwerge und Frauen auftraten.

Kämpfe weiblicher Gladiatoren waren ein ernstes Unterfangen, welches es den Frauen erlaubte, Mut zu zeigen, der normalerweise von Männern erwartet wurde, aber die antiken Autoren betonen eben den außergewöhnlichen kämpferischen Heldenmut der weiblichen Gladiatoren. Traditionell wurden Amazon als die einzigen Frauen angesehen, die in der Lage waren es auf dem Schlachtfeld mit dem Mut der Männer aufzunehmen und dieses wurde nun durch die Gladiatrices repräsentiert. Wenn sie nun gegen Zwerge hätten kämpfen müssen, wären sie nicht in der Lage gewesen, ihre wirklichen Fähigkeiten mit Waffen zu zeigen, da kämpfe bei Gladiatoren immer eine gleiche Chance für die Gegner hatten. Dies ist also der Hauptgrund, warum Frauen nicht gegen Männer antraten, weil es ihnen zum Nachteil gereicht hätte. Deshalb kämpften sie immer nur gegen andere Frauen, oder wenn man von venatores spricht, eben auch gegen wilde Tiere wie Wildschweine. Ein Kampf gegen Zwerge wäre nun zu deren Nachteil gewesen.

Der zweite Teil des Artikels befasst sich mit Nachweisen für weibliche Gladiatoren:

1. Historische Referenzen
Cassius Dio (61.17.3-4) und Tacitus (Ann. 15.32.3) berichten beide davon, daß Nero veranlasste, dass Frauen aus Hohem Stande in der Arena auftreten mussten, aber eben nicht nur die noblen Frauen, sondern auch Männer aus dem senatorischen oder ritterlichen Stand. Es ist nicht klar, ob sie sich auf die Spiele im Jahr 59 n. Chr. beziehen, die anlässlich Agrippas Todes stattfanden, oder die Spiele des Jahres 63 n. Chr. Aber es scheint, dass Nero nur einmal die Upper-Class-Frauen zwang, als Gladiatoren zu kämpfen.

Martial Sp.6 und 6B sowie Cassius Dio 66.25.2 erwähnen weibliche Tierkämpfer bei den Einweihungsspielen des Colosseums. Dio lobt Titus dafür, dass er keine hochrangigen Frauen bei seinen Spielen hat auftreten lassen.

Suetonius Dom. 4.1, Statius Silv. 1.6 und Cassius Dio 67.8.4 attestieren, daß Domitian Frauen für seine Shows benutzt hat. Statius bezieht sich nur auf eine bestimmte Gelegenheit, während die anderen beiden Autoren da vage bleiben.

CIL xiv 5381 & 4616 erwähnt, daß der duumvir (Bürgermeister) von Ostia der erste war, der Gladiatorenkämpfe zeigte, an denen auch Frauen teilnahmen. Weil das Wort mulieres und nicht femina benutzt wird, kann man annehmen, dass es keine Frauen von hohem Rang waren.

2. Fiktive Berichte
In Petronius 45.7 Echion beschreibt eine eher schäbige Show, die aber Anklang beim Publikum fand, als weibliche essedarii auftraten.

Juvenal 1.22-23 ist über eine venatrix (Tierkämpferin) namens Mevia, die die Angewohnheit hatte, etruskische Wildschweine zu töten und Speere in der rechten Hand zu halten, mit ihrer Brust unbedeckt.

Juvenal 6.246-267 ist über römische Matronen, die Ringen geübt haben und Gladiatorentraining absolviert haben in voller Rüstung mit schweren Helmen. Dieses ist aber nicht darüber, dass sie in der Arena öffentlich auftraten.

3. Rechtliche Maßnahmen
Die Notiz in Athenaeus (4.154a) erwähnt einen Mann, der verlangte, daß die schönsten Sklavinnen in seinem Haushalt als Gladiatoren kämpfen mussten, obwohl es schlussendlich verboten wurde, wahrscheinlich deshalb, weil die Leute es als ungesetzlich ansahen.

Der Senatsbeschluß von Larinum aus dem Jahre 19 n. Chr. verbietet das Auftreten auf der Bühne von Mitgliedern der senatorischen und ritterlichen Klassen und ebenso ihrer Teilnahme in bestimmten Aktivitäten wie z. B. Gladiatorenkämpfe. Dieses bedeutet, dass Upper-Class-Frauen durchaus in der Arena auftreten können, aber es beweist nicht, dass sie es auch tatsächlich taten und dass es ein allgemeines Problem war.

Hadrian hat verboten, dass Sklaven oder Dienstmädchen an einen Bordellbesitzer oder lanista (Inhaber einer Gladiatorenschule) verkauft werden durften, es sei denn der Besitzer hatte eine triftigen Grund dafür (SHA Hadr. 18.8-9). Wir können annehmen, dass weibliche Gladiatoren aus den selben Quellen kamen wie männliche, d. h. Freiwille, aber doch öfters durch irgendwelche Käufe.

Septimius Severus hat Frauenkämpfe verboten (Cassius Dio 75.16.1).

4. Künstlerische Belege
Hier haben wir nur eine eindeutige Abbildung, das ist das bekannte Relief aus Halicarnassos (das heutige Bodrum in der Türkei), welches heute im British Museum in London ausgestellt ist. Es stellt die beiden gladiatrices Amazone und Achillia dar, die so tapfer gekämpft haben, dass sie ein Unentschieden (stantes missio) errungen haben. (Siehe hierzu auch meinen vorherigen Post, der dieses Relief im Detail behandelt.)

Es ist nicht klar, ob das Grabrelief aus Maastricht zwei weibliche Gladiatoren zeigt. Oder ob der unterlegene essedarius nur in einer weiblichen Pose mit zusammengedrückten Knien und eingedrehten Beinen gezeigt ist, um seine Unterlegenheit zu verdeutlichen.



Anmerkung der Blogautorin
Es gibt noch in London ein Frauengrab aus der Römerzeit, dem viele Grabbeigaben gemacht wurden, die mit Gladiatoren zu tun haben, z. B. Öllampen mit Abbildungen von Gladiatoren, Pinienzapfen im Räucherkelch. Pinien fanden sich in der Nähe von Amphitheatern, wohl um den Geruch von Blut etc. zu übertünchen bzw. abzumildern. Zu sehen ist diese Grab fast wie gefunden im Museum of London. Man kann aber hieraus nicht definitiv sagen, dass es wirklich eine Gladiatrix war, oder ob es nur eine Frau war, die halt ein Fan von Gladiatorenkämpfen war.

2010 hat man ein römisches Frauengrab in Herfordshire gefunden, aber immerhin taucht das Wort „Gladiator“ in dem Bericht jetzt in Tüddelchen auf. Hier gibt es noch weniger Belege als in London, dass es sich um eine Gladiatrix handeln könnte, nur das Wort „Gladiator“ in einem Bericht macht den Fund ungleich interessanter. Also, nicht überall wo „Gladiator“ draufsteht ist auch „Gladiator“ drin. ;-)

Fazit der Blogautorin
Es ist also unumstößlich, dass auch Frauen als Gladiatoren kämpften, auch wenn sie natürlich seltener waren als Männer, aber trotzdem haben sie ihren Mann bzw. Frau gestanden. J

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen