Pollice Verso – der gedrehte Daumen
Pollice Verso – der gedrehte Daumen, das ist der Begriff, den uns
die Antike für das Zeichen überliefert, wenn das Publikum den Tod des
unterlegenen Gladiators wünschte. Aber wohin dieser Daumen gedreht wurde, das
geht aus diesem Begriff leider nicht hervor. Für die Bewohner des Alten Roms
bedurfte er wohl auch keiner Erklärung, weil sie wussten, wie die Geste war, so
wie wir ja auch wissen, was es für den Fußballer bedeutet, wenn der
Schiedsrichter ihm die rote Karte zeigt. Aber weiß das in 2000 Jahren noch
jemand, was die rote Karte bedeutet...?
Die Wissenschaftler haben
sich so ihre Gedanken zu dieser Geste gemacht: Es könnte der Daumen sein, der
auf die Kehle zeigt, entweder mit einer Stichbewegung auf die Kehle zu oder mit
einer Schnittbewegung von links nach rechts. Jedenfalls soll diese Geste „iugula!“
(„stich ihn ab!“) zum Ausdruck bringen.
Aber was war nun die Geste,
wenn das Publikum wünschte, dass der Gladiator am Leben gelassen werden, also
die missio erhalten sollte? Daumen hoch ist eine reine
Holly-wood-Erfindung, die sich aber leider in den Köpfen der Leute festgesetzt
hat, wie wir immer wieder auf Veranstaltungen wie Museumsfesten etc.
feststellen.
Meiner Meinung nach kann es
keine weitere Geste mit der nackten Hand sein, denn das kann man auf die
Distanz von der Arenamitte oder gar vom pulvinar (Sitzplatz des Kaisers
bzw. Spieleausrichters) gar nicht erkennen. Wie ich selber im Fußballstadion
beobachtet habe, konnte ich nicht erkennen, was die Zuschauer auf den
gegenüberliegenden Rängen mit ihren Händen machen (La Ola-Wedeln, klatschen
etc.), aber ich konnte sehr deutlich sehen, wer was mit den nackten Händen
machte und wer einen Fanschal hochhielt. Da die Römer auch mit Stoffstücken in
die Arena gingen, wäre es ein mögliches Zeichen für Leben lassen gewesen,
entweder mit dem Zipfel der Toga zu wedeln oder mit der mappa, einer Art
großer Serviette, in der die Vorräte eingewickelt waren, die man für einen
langen Tag im Amphitheater mitbrachte. So gäbe es zwei Gesten, die auch aus der
Arenamitte und vom gegenüberliegenden Rang aus deutlich zu erkennen gewesen
wären.
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