Freitag, 15. November 2013


Pollice Verso – der gedrehte Daumen


Pollice Verso – der gedrehte Daumen, das ist der Begriff, den uns die Antike für das Zeichen überliefert, wenn das Publikum den Tod des unterlegenen Gladiators wünschte. Aber wohin dieser Daumen gedreht wurde, das geht aus diesem Begriff leider nicht hervor. Für die Bewohner des Alten Roms bedurfte er wohl auch keiner Erklärung, weil sie wussten, wie die Geste war, so wie wir ja auch wissen, was es für den Fußballer bedeutet, wenn der Schiedsrichter ihm die rote Karte zeigt. Aber weiß das in 2000 Jahren noch jemand, was die rote Karte bedeutet...?

Die Wissenschaftler haben sich so ihre Gedanken zu dieser Geste gemacht: Es könnte der Daumen sein, der auf die Kehle zeigt, entweder mit einer Stichbewegung auf die Kehle zu oder mit einer Schnittbewegung von links nach rechts. Jedenfalls soll diese Geste „iugula!“ („stich ihn ab!“) zum Ausdruck bringen.

Aber was war nun die Geste, wenn das Publikum wünschte, dass der Gladiator am Leben gelassen werden, also die missio erhalten sollte? Daumen hoch ist eine reine Holly-wood-Erfindung, die sich aber leider in den Köpfen der Leute festgesetzt hat, wie wir immer wieder auf Veranstaltungen wie Museumsfesten etc. feststellen.

Meiner Meinung nach kann es keine weitere Geste mit der nackten Hand sein, denn das kann man auf die Distanz von der Arenamitte oder gar vom pulvinar (Sitzplatz des Kaisers bzw. Spieleausrichters) gar nicht erkennen. Wie ich selber im Fußballstadion beobachtet habe, konnte ich nicht erkennen, was die Zuschauer auf den gegenüberliegenden Rängen mit ihren Händen machen (La Ola-Wedeln, klatschen etc.), aber ich konnte sehr deutlich sehen, wer was mit den nackten Händen machte und wer einen Fanschal hochhielt. Da die Römer auch mit Stoffstücken in die Arena gingen, wäre es ein mögliches Zeichen für Leben lassen gewesen, entweder mit dem Zipfel der Toga zu wedeln oder mit der mappa, einer Art großer Serviette, in der die Vorräte eingewickelt waren, die man für einen langen Tag im Amphitheater mitbrachte. So gäbe es zwei Gesten, die auch aus der Arenamitte und vom gegenüberliegenden Rang aus deutlich zu erkennen gewesen wären.

Dieses ist nur eine These von mir, ohne wissenschaftlichen Beleg, sondern nur begründet auf meinen eigenen Beobachtungen als Fußballfan im Fußballstadion. Aber ich habe sie gerade bestätigt gesehen, weil Alfonso Mañas sie genauso auch in seinem Buch „Gladiadores – El Gran Espectáculo de Roma“ erwähnte, ohne allerdings den Bezug zum Fußballstadion herzustellen, aber den Togazipfel und die mappa. Was es nun wirklich war, werden wir wohl nie in Erfahrung bringen, da in den antiken Quellen darüber nichts überliefert ist.

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