Gladiatoren als Soldaten (Teil 2)
Das Vier-Kaiser-Jahr
Nach dem Tod von Nero musste das Römische Reich die nächste Krise
überstehen, während der sich vier Männer innerhalb des Jahres 69 n. Chr. auf
dem Kaiserthron abwechselten. Während dieser Bürgerkriege in diesem sogenannten
Vier-Kaiser-Jahr spielten Gladiatoren eine wichtige Rolle in den Armeen von
einigen dieser Möchtegern-Kaisern. Otho, der Galba besiegt hatte, wurde nun von
Vitellius bedroht und hat deshalb eine Hilfstruppeneinheit von 2000 Gladiatoren
rekrutiert, um seine Truppen zu verstärken. Diese Männer schickte er am Padus
(der heutige Fluß Po) in die Schlacht gegen die Truppen seines Rivalen, der aus
Germanien über die Alpen auf die Italische Halbinsel zumarschierte. Dieses ist
das erste Mal, dass eine genaue Größe einer gladiatorischen Einheit in einer
Armee genannt wird. Tacitus gibt sehr detaillierte Beschreibungen von dieser
Schlacht in seinen Historien.
Vitellius’ General Caecina hielt Cremona und Othos General Martius Macer schickte seine Gladiatorentruppe über den Po, wo sie die Vitellischen Hilfstruppen verwirrten. Die meisten Auxiliarsoldaten flohen und diejenigen, die Widerstand leisteten, wurden niedergemacht. Dieses war ein Erfolg für die Gladiatoren, weil sie ihre Gegner überraschen konnten.
Othos Glück aber schwand, als die komplette Armee des Vitellius endlich die Poebene erreichte. Um sie beschäftigt zu halten, wurden die Soldaten des Vitellius angewiesen eine Brücke über den Po zu bauen, genau im Angesicht von Othos Gladiatoren. Am Ende der Brücke bauten die Vitellianer einen Turm, aber die Othoaner antworteten darauf, indem sie selbst einen Turm an ihrem Brückenende errichteten und kontinuierlich Steine und entflammte Wurfgeschosse auf die Vitellianer feuerten. Über die jetzt stattfindende Schlacht schreibt Tacitus ausführlich in Historia 2.35:
In der Mitte des Flusses war eine Insel, welche die Gladiatoren in Booten zu erreichen versuchten, aber die Germanen schwammen herüber und erwarteten sie. Als eine beträchtliche Zahl an Germanen den Fluss überquert hatte, belud Macer einige leichte Liburnen (röm. Schiff) und attackierte sie mit den Tapfersten seiner Gladiatoren. Aber Gladiatoren haben nicht die gleiche standhafte Tapferkeit in einer Schlacht wie Soldaten, und jetzt in diesen schwankenden Booten konnten sie nicht so genau schießen wie die Germanen, die vom Ufer zurückschossen. Und als die Gladiatoren in ihrer Furcht anfingen kopflos herumzurennen und sich Ruderer und Kämpfer mischten und sich im Weg waren, sprangen die Germanen ins das flache Wasser, hielten die Boote zurück und enterten sie oder versenkten sie mit ihren eigenen Händen. All dies geschah unter den Augen beider Armeen, und um so mehr es die Vitellianer erfreute, um so größer war die Empörung der Gefolgsleute von Otho gegenüber Macer, der der Grund und Urheber ihrer Niederlage war.
[Quelle: Lacus Curtius http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Tacitus/Histories/2A*.html – eigene Übersetzung des englischen
Textes]
Tacitus gibt uns einen Grund, warum die Gladiatoren, obwohl gute Kämpfer, keine Schlacht gewinnen konnten. Sie kamen nicht damit klar, auf einem schaukelnden Boot zu kämpfen, weil dieses für Männer, die den ebenen Sand auf festem Untergrund der Arena gewohnt waren, total ungewöhnlich war. Außerdem hatten sie das Pech gegen Batavische Hilfstruppen zu kämpfen, die Expterten dieser Art Kriegsführung waren.
Vitellius selbst benutzte auch Gladiatoren, als er Claudius Iulianus schickte, um die Irritationen seiner Soldaten zu beruhigen. Iulianus wurde von einer Stadtkohorte sowie einer Truppe von Gladiatoren unterstützt, auch wenn keine genaue Anzahl ihrer Stärke genannt ist. Iulianus setzte sich mit seinen Truppen zu Vespasian ab, die die Stadt Tarracina (in Latium) besetzten. Tacitus berichtet über diesen Vorfall:
Lucius Vitellius, der Bruder des Kaisers Aulus Vitellius, lagerte in Feronia und drohte den Truppen in Tarracina mit der Zertstörung der Stadt. Diese Truppen bestanden aus Gladiatoren, die von Iulianus befehligt wurden, sowie Seemännern von Apollinaris befehligt. Sie wollten keinen Kampf in der Ebene riskieren, sondern blieben auf der Stadtmauer. Tacitus vergleicht diese beiden Befehlshaber mit Gladiatoren anstatt mit Generälen wegen ihrer Lasterhaftigkeit und Trägheit. Weder befahlen sie ihren Soldaten Wache zu halten noch die Schwachpunkte der Befestigung zu verstärken, sondern hatten ihnen Aufträge gegeben, um ihrem Luxus zu dienen.
Schlussendlich wurde Tarracina gestürmt, einige der Gladiatoren
widersetzten sich, aber ohne Erfolg. Lucius Vitellius informierte seinen Bruder
über diesen Erfolg.
Grenzgefechte und noch ein Bürgerkrieg
Währen der Markomannenkriege an der Donau litten die Legionen des Marcus
Aurelius an der Pest. Die Historia
Augusta erwähnt, dass, aufgrund eines Mangels an verfügbarem Personal wegen
der vielen durch die Plage dahingerafften Soldaten, der Kaiser Sklaven für den
Militärdienst ausbilden ließ. Er nannte ihre Einheit “Freiwillige” und
akzeptierte selbst Banditen aus Dalmatien und Dardania. Außerdem bewaffnete er
Gladiatoren und nannte ihre Einheit “Die Folgsamen”.
Es ist nicht bekannt, wieviele Gladiatoren in dieser Einheit waren oder ob sie überhaupt in einer Schlacht kämpfen mussten, und falls, ob sie erfolgreich waren. Trotzdem ist dies ein weiteres Beispiel, dass Gladiatoren während einer nationalen Krise rekrutiert wurden, auch wenn es dieses Mal kein Bürgerkrieg war, sondern gegen eine Bedrohung von außen.
Nicht lange nach den Markomannenkriegen waren Gladiatoren wieder an einem inneren Konflikt beteiligt. Nach dem Tod des Kaisers Pertinax 193 n. Chr. boten zwei Männer darum Kaiser zu werden. Einer war Titus Flavius Sulpicianus, der Schwiegersohn des verstorbenen Pertinax, der andere war Didius Iulianus, der letztendlich das Bieten um den Kaiserthron gewann, indem er der Prätorianergarde 25.000 Sesterzen pro Mann versprochen hat. Die Armeen in den Provinzen aber akzeptierten Didius nicht als Kaiser. Stattdessen proklamierten sie Lucius Septimius Severus, der die Illyrischen Armeen hinter sich wusste. Die Historia Augusta berichtet, dass, als Severus auf Rom marschierte, Didius Iulianus dem Lollius Titianus befahl, die Gladiatoren aus Capua zu bewaffnen. Aber der Bericht sagt nicht, ob die Gladiatoren tatsächlich bewaffnet wurden und ob sie nach Rom marschierten, um Didius Iulianus zu unterstützen. Es mag sein, dass dieser Plan nie ausgeführt wurde, weil Didius Iulianus nach einer Regierungszeit von nur 66 Tagen getötet wurde. Aber mit Sicherheit war die Beteiligung von Gladiatoren in militärischer Aktion geplant, und zwar abermals in einer verzweifelten Situation.
Fazit
Warum wandten sich Generäle so oft an Gladiatoren, wenn sie für Ihre
Armeen Manpower benötigten? Ein Grund war sicherlich, dass Gladiatoren
trainierte professionelle Kämpfer waren. Jedoch waren sie es gewohnt, im Kampf
für sich zu kämpfen, ohne von ihren Kameraden abhängig zu sein. Auch waren sie
es gewohnt, Gegner mit einer anderen armatura
zu bekämpfen.
In der Arena waren diese Fähigkeiten von großem Vorteil, aber im Krieg
mussten die Gladiatoren als eine Einheit in römischem Stil kämpfen (die meisten
Hilfstruppen waren mehr oder weniger in Kampfeinheiten ähnlich wie die Legionen
organisiert). In den Bürgerkriegen standen sie entweder Legionären oder anderen
Auxiliaren gegenüber, Gegner, die also in der selben Waffengattung wie sie
kämpften. Die meisten Hilfstrupen waren mit einem großen ovalen Schild und
einem Schwert ausgestattet (außer die Spezialtruppen wie Schleuderer, Bogenschützen
und Kavallarie) und es ist anzunehmen, dass die Gladiatoren ebenso ausgerüstet
waren und nicht in ihrer eigenen armatura
kämpften.
Deshalb waren die am besten geeignetsten Gladiatorentypen die scutarii (Großschildner), z. B. provocatores, murmillones und secutores
– diese waren es gewohnt, mit scutum
und gladius zu kämpfen. Von diesen
kämpften jedoch nur die provocatores
gegen ihresgleichen in einem standardmäßigen Gladiatorenkampf. Als Auxiliare
mussten sich diese Gladiatoren an eine andere Art von Schild gewöhnen – das scutum ist gebogen, während der Hilfstruppenschild
flach ist. Für die anderen wie thraeces,
hoplomachi und retiarii war der Wechsel zu einer neuen Waffengattung noch
schwieriger.
Es gab gregatim (Gruppen-)
Kämpfe von Gladiatoren in der Arena, aber selbst bei diesen kämpfte jeder
Gladiator für sich, so dass eher mehrere Duelle zur selben Zeit stattfanden.
Ein Vorfall ist überliefert aus der Zeit des Kaisers Caligula, wo fünf retiariii gegen fünf secutores kämpften und ein retiarius übrig blieb, fünf secutores gegenüberstehend. Angesichts
dieser hoffnungslosen Stituation gab er auf. Aber als Kaiser Caligula ihm die missio verwehrte, nahm er – entgegen der
Regeln – seinen Dreizak wieder auf und tötete seine Gegner schnell.
Zudem waren Gladiatoren es auch nicht gewöhnt, lange Distanzen zu
marschieren und dabei ihre Ausrüstung zu tragen. Weder wussten sie, wie man ein
Lager errichtete noch konnten sie ihr eigenes Essen kochen, Sachen, die aber
für reguläre Soldaten und Auxiliare selbstverständlich sind. Aber weil
Gladiatoren bereits ausgebildete Kämpfer waren, schienen sie für diejenigen,
die dringend Truppen benötigten, eine gute Alternative zu sein im Gegensatz zu
total unerfahrenen Rekruten. Gladiatoren benötigten nämlich kein grundlegendes
Waffentraining mehr, nur das, was das Kämpfen in einer Einheit ausmachte. Wie
bereits oben schon erwähnt, erhielten Gladiatoren und Soldaten die selben
Grundlagen im Schwertkampf.
Man kann eine Entwicklung im Gebrauch von Gladiatoren in der Armee
erkennen. Zuerst wurden nur Gladiatorentrainer gerufen, dann dienten die
Gladiatoren als Bodyguards und als Männer furs Grobe für mächtige Individuen
und schließlich wurden sie als Kämpfer in der Armee gebraucht während
verschiedener Bürgerkriege und Kriege gegen Feinde von außen.
Keine der Quellen erwähnt jedoch wie die Gladiatoren ausgestattet waren,
wenn sie als Soldaten kämpften, und nur einmal ist ihre Truppenstärke genannt.
Manchmal ist selbst das Ergebnis des Einsatzes der gladiatorischen Einheit
unbekannt, wie z. B. bei dem Markomannenkriegen. Wir wissen jedoch mit
Sicherheit, dass die Gladiatoren wie Hilfstruppen organisiert waren, was
nachvollziehbar ist, da die Legionen nur römischen Bürgern offenstanden. Viele
Gladiatoren waren Fremde, sogar Sklaven, und selbst ein römischer Bürger, der sich
als freiwilliger Gladiator einschrieb (auctoratus),
wurde damit infamis und verlor seine
Bürgerrechte und war vom Dienst in der Legion ausgeschlossen.
Obwohl Gladiatoren sehr gut trainierte Profi-Kämpfer waren bewiesen sie
dennoch nicht, dass sie auch gute Soldaten waren. Die Art zu Kämpfen war zu
unterschiedlich und das Terrain auf dem sie kämpfen mußten, war ihnen
unbekannt. Schwankende Boote und belagerte Stadtmauern waren doch etwas ganz
anderes als ihre ihnen bekannte Welt des ludus
und der Arena.
Ich danke Dr. Philip Matyszak für seine Hilfe und Unterstützung.
Literatur
Battaglia, Dario and Ventura, Luca De Rebus Gladiatoriis – Dal gymnasion
al ludus attraverso i sepolcri, Associazione Ars Dimicandi, 2010
Battaglia, Dario and Ventura, Luca De Rebus Gladiatoriis – Dal gymnasion al ludus attraverso i sepolcri, Associazione Ars Dimicandi, 2010
Bernet, Anne Les Gladiateurs, Editions Perrin, 2002
Coulston, Jon C. N. “Gladiators and Soldiers: personnel and equipment in ludus and castra”, Journal of Roman Military Equipment Studies, Vol. 9, 1998
Coulston, Jon C. N. “By the sword united: Roman fighting styles on the battlefield and in the arena”, in Barry Molloy The Cutting Edge, Tempus Publishing, 2007
Grant, Michael Gladiators – The Bloody Truth, “Chapter Four – The Gladiators and Their Public”, Penguin Books, 1967
Matyszak, Philip Gladiator – the Unofficial Handbook, Thames & Hudson 2011
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