Samstag, 6. September 2014



Militärische Amphitheater

Einleitung

Wer das Wort „Amphitheater“ hört, denkt an monumentale Gebäude wie das Colosseum in Rom, die Arena in Verona order die Amphitheater in Arles und Trier. Diese Beispiele waren für die Unterhaltung der Zivilbevölkerung in und um große Städte gedacht, ihre Großartigkeit symbolisierte die Macht des Römischen Reiches, eben nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in den Provinzen.

Beides, das Amphitheater als auch die Veranstaltungen, die dort stattfanden, waren etwas typisch Römisches. Letzteres, die munera (Spektakel, die im Amphitheater zu einer besonderen Gelegenheit abgehalten wurden), waren niemals Teil des religiösen Festkalenders und fanden deshalb unregelmäßig statt. Seit der Reform des Augustus bestanden sie aus venationes (Tierkämpfen) am Morgen, öffentlichen Hinrichtungen zur Mittagszeit, deshalb auch meridiani genannt, und als Höhepunkt des Tages die Gladiatorenkämpfe am Nachmittag.

„Ein gelangweilter Soldat ist ein gefährlicher Soldat.“ Den Römern war die Wahrheit hinter diesem alten Sprichwort sehr bewusst, deshalb sorgten die Befehlshaber dafür, dass ihre Soldaten immer beschäftigt waren, selbst zu Friedenszeiten. Abgesehen von militärischen Aufgaben wurden die Soldaten beschäftigt gehalten mit dem Bauen und Instandhalten von Straßen und öffentlichen Gebäuden. Aber sie wurden auch mit typisch römischem Entertainment unterhalten, welches den Soldaten aus romanisierten Gegenden sehr geläufig war.

Es wurde Soldaten empfohlen, sich gladiatorische Darbietungen im Amphitheater anzusehen. Einen Gladiator tapfer und ohne Angst kämpfen zu sehen, sollte die Soldaten ermutigen (siehe Plinius d. Jüngere, Panegyricum 33). Ein Gladiator repräsentierte moralische Eigenschaften, die auch von einem Soldaten erwartet wurden, zusammengefasst in dem Begriff virctus (Männlichkeit). Dieses setzte sich aus den folgenden Kriterien zusammen: fortitudo (Kraft), disiplina (Training), constantia (Durchhaltevermögen), patientia (Ausdauer), contemptus mortis (Todesverachtung), amor laudis (Liebe zu Ehre und Lob), cupido victoriae (Siegeswille). Gladiatoren wurden darauf trainiert, gute Beispiele von virtus abzugeben, selbst wenn sie dem Tode ins Auge sahen, und wurden so zu einem guten Beispiel für Soldaten.

Amphitheater in der Archäologie

Archäologische Beweise zeigen, dass viele Legionslager ein Amphitheater in der Nähe hatten. Jüngste Funde zeigen die Existenz von Amphitheatern in der Nähe von Hilfstruppenlagern, besonders entlang des Limes. Es ist sehr wahrscheinlich, dass in vielen Fällen das Militär für die Errichtung dieser Gebäude verantwortlich war, wie z. B. eine Inschrift aus dem Amphitheater in Carleon, dem römischen Isca Silurum, zeigt, wo die Legio II Augusta stationiert war. Die Inschrift zeigt stolz, welche Kohorte mit der Errichtung der Arenamauer befaßt war.

In einigen Fällen existierten zwei Amphitheater, ein militärisches für das Legionslager und eines für die zivile Siedlung. Dieses waren Orte mit einem Hauptlegionslager und einer großen Ansiedlung in unmittelbarer Nähe. Letzteres waren oft wichtige zivile Zentren mit dem rechtlichen Status einer colonia oder eines municipium wie z. B. Carnuntum im Österreichen oder Aquincum (Budapest).

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Hauptstädte von Germania Inferior, Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln), und von Germania Superior, Mogontiacum (Mainz), – beides waren auch sehr wichtige militärische Stätten – wenigstens ein Amphitheater hatten. Leider haben sich bis jetzt keine Spuren solcher Gebäude gefunden. Es gibt aber andere reichhaltige Hinweise darauf. Die Sammlung des Römisch-Germanischen Museums in Köln enthält viele Öllampen mit gladiatorischen Motiven sowie den Grabstein des Aquilos, der höchstwahrscheinlich ein lanista einer Gladiatorentruppe war. Sein Grabstein zeigt den Kampf zwischen einem thraex und einem murmillo. In Mainz haben wir die Inschrift eines Gladiators namens Messor. Als Provinzhauptstädte beherbergten Köln und Mainz große Garnisonen, aber sie waren gleichzeitig auch die kulturellen Zentren und sorgten für typisch römische Annehmlichkeiten und Entertainment.

Ein sehr gutes Beispiel eines Amphitheaters, welches zu einem Legionslager gehört, ist das von Deva (dem heutigen Chester im Nordwesten von England). Nach dem Abzug der Legio II Adiutrix, von der lange angenommen wurde, das Amphitheater errichtet zu haben, war die Legio XX Valeria Victrix dort stationiert, die in Wirklichkeit das erste Amphitheater zwischen 95-96 n. Chr. errichtet hat, wie der kürzliche Fund einer Münze bezeugt. Es bestand aus Holz-Fachwerk für die Sitzreihen mit einer äußeren Steinmauer, bestehend aus Sandsteinblöcken mit einem Schuttkern verbunden mit rotem Ton. Es wurde über 30 Jahre lang genutzt, vermutlich im Zusammenhang mit der Wiedereroberung von Britannien. Vom Stil her erinnerte es an die imperialen Amphitheater wie z. B. das Colosseum, nur in sehr viel kleinerem Stil. Leider ist nicht mehr viel von diesem Amphitheater übrig und die Archäologen können auch nur auf der Hälfte der Fläche graben, da die andere Hälfte mit denkmalgeschützten Gebäuden überbaut ist.



Amphitheater von Chester

Hilfstruppen-Amphitheater

Hierfür seien zwei Beispiele genannt, eines aus Hessen und eines aus Bayern.

Das Hilfstruppenlager Zugmantel (Nähe Taunusstein-Orlen, Hessen) lag in der Nähe des Limes. Gleich neben der B417 hat man einen Limes-Wachturm rekonstruiert zusammen mit einem Teil der Palisade mit Graben. Das eigentliche Lager liegt unterhalb des heutigen Parkplatzes und den dahinterliegenden Wäldern. Das hölzerne Lager wurde Ende des 1. Jh. n. Chr. erbaut und wurde Mitte des 2. Jh. n. Chr. durch eine Steinstruktur ersetzt, wahrscheinlich durch die Cohors I Treverorum equitata, die in dieser Zeit für dieses Lager belegt ist.

Nördlich vom Lager nahe der Hühnerstraße, auf halbem Wege zum Limes-Wachturm, lag eine der beiden kreisrunden Strukturen, von denen man annimmt, dass es Amphitheater sind. Sie hat zwei Eingänge, je einen auf der Nord- und der Südseite. Eine ähnliche Struktur fand man östlich des Lagers beim sog. Galgenköppel. Beides waren Erdstrukturen mit Holz-Sitzplätzen, obwohl keine Spuren von Holz gefunden wurden. Deshalb nimmt man an, dass die Tribünen abgebaut wurden, nachdem man das Amphitheater nicht mehr nutzte.

Die beiden Amphitheater können gleichzeitig genutzt worden sein, um der Besatzung des Auxiliarlagers und den Bewohnern des umgebenden vicus Unterhaltung zu bieten. Bei persönlicher Begehung der Stätte konnte ich die Überreste des ersten Amphitheaters nur anhand von Informationstafeln ausmachen. Bei genauerem Hinsehen konnte ich die Erhebung erkennen, auf der die Sitze angebracht waren, heutzutage von Bäumen bestanden. Das Amphitheater am Galgenköppel konnte ich mithilfe einer Landkarte finden, denn dort gibt es leider keine Informationstafeln. Wenn man weiß, wonach man sucht, kann man die runde Struktur im Wald ausmachen, aber auch sie ist überwachsen.

Dass es sich bei diesen beiden Strukturen um Amphitheater handelt ist durch den bronzenen Greifenkopf bestätigt worden, der beim Amphitheater an der Hühnerstraße gefunden wurde. Man nimmt an, dass er vom Helm eines thraex stammt und ist heutzutage in der Saalburg ausgestellt.





Überreste einer ebenfalls ehemals hölzernen oval-runden Struktur hat man in Künzing, Landkreis Deggendorf, gefunden. Künzing liegt an der Donau, die hier die Grenze zwischem dem Imperium Romanum und dem Barbaricum darstellte. Östlich vom Kastell breitete sich die Zivilsiedlung, der vicus, aus. Hier hat man jetzt im Jahr 2003 Verfärbungen im Boden entdeckt, die auf ein hölzernes Amphitheater schließen lassen. Die Arena wurde ca. 2 m in den Boden eingetieft und hatte Ausmaße von 35 m in Ost-West- und 31 m in Nord-Süd-Richtung. In einem Abstand von je 4 m fand man der Arenarundung folgend die Nachweise von Pfostenlöchern sowie eine Zwischenreihe weiterer Pfostenlöcher, die auf die Abstützung einer Tribüne schließen lassen. Die Wissenschaftler schätzen, dass es fünf Sitzreihen gab, auf denen 800 Zuschauer Platz fanden. Wenn man bedenkt, dass im Lager nur 500 Soldaten stationiert waren, so wurde das Amphitheatern wohl auch von den Bewohnern des vicus besucht.

Anschaulich hat man die Umrisse des Amphitheaters mit Holzbalken rekonstruiert. Heute befindet es sich auf einer grünen Wiese mitten in einer Neubausiedlung und um eben dieses Archäologische Denkmal zu würdigen, wird da auch nichts Neues hingebaut.
 

Sinn und Zweck

Die meisten Legionärs-Amphitheater waren aus Stein gebaut – wahrscheinlich durch die Legionäre selbst – und waren für langfristigen Gebrauch vorgesehen. Solch ein teures Gebäude ist sicherlich nicht nur für einmal im Jahr stattfindende Gladitorenkämpfe vorgesehen. In seinen Epitoma rei militaris vermutet Vegetius, dass alle Truppen regelmäßig trainieren sollten, welches entweder auf dem Paradeplatz (campus) stattfand, in der Übungshalle (basilica) oder im Legions-Amphitheater, welches er ludus nennt. Dieser Begriff sollte nicht mit dem gleichen Wort verwechselt werden, welches Gladiatorenschule bedeutet.

Amphitheater wurden mit Sicherheit auch für militärische Zwecke genutzt, wie z. B. als Trainingsgelände für Pferde und Übungsbereich und Paradeplatz. Wenn man jedoch die eher geringe Größe der Arenen bedenkt, war es unmöglich für eine komplette Legion oder auch eine komplette cohors equitata dort zu üben. Spezielle Pferdeübungsplätze, gyrus genannt, wurden an verschiedenen Orten gefunden, z. B. The Lunt, Baginton, England und Unterkirchberg. Diese hatten keine Sitztribünen um die Arena herum, deshalb kann man sie als reine Trainingsgelände zum Reiten ansehen und nicht als Amphitheater. Für größere Anzahl an Pferden und Truppen war der Platz zwischen dem äußeren Graben des Forts und der vici/canabae groß genug, um als Übungsplatz zu dienen. Aber kleine Einheiten können auch durchaus die Amphitheater als Trainingsorte genutzt haben.

Die offensichtliche Frage allerdings ist, ob überhaupt Gladiatoren in diesen militärischen Amphitheatern gekämpft haben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass in großen Amphitheatern, wie z. B. in Chester, Gladiatorenkämpfe stattgefunden haben und vielleicht auch venationes also Unterhaltung für die Soldaten des nahegelegenen Lagers und für die Bewohner der ansehnlichen zivilen Siedlung, die das Lager umgab. Dieses wird durch einen Fund in Chester bestätigt, ein Relief eines Retiarius in einer seltenen Position: Er ist mit dem Netz dargestellt. Es ist bekannt, dass es bei den Legionshauptquartieren Gladiatorentruppen gab, die tatsächlich auf Tour durch die Provinzen gingen. Die o.g. Inschrift des Gladiators Messor aus Mainz ist ein gutes Beispiel dafür – er könnte zu so einer herumreisenden familia gladiatoria gehört haben.

Aber was ist mit den Amphitheatern der Auxiliarlager? Das Amphitheater in Künzing (Bayern) scheint sehr eilig errichtet worden zu sein, falls die unregelmäßigen Abstände zwischen den Pfostenlöchern ein Hinweis sein können. Deshalb wird angenommen, dass es nur für eine bestimmte Gelegenheit errichtet wurde und noch für eine kurze Weile danach genutzt worden sein könnte. Es wird vermutet, dass es gebaut wurde, als Kaiser Hadrian die Grenzen in Noricum, Raetia und der Germanischen Provinzen im Frühjahr 122 besuchte. Er könnte dort eine Parade abgehalten haben – so wie er es in Lambaesis getan hat, wovon ein Fragment seiner Rede überliefert ist – und Gladiatorenkämpfe könnten ihm zu Ehren stattgefunden haben. Es kann ähnliche Gelegenheiten an anderen Orten gegeben haben. Dieses wird durch die Darstellung eines Amphitheaters auf der Trajanssäule bekräftigt. Es ist im Hintergrund neben einer befestigten Stadt zu sehen mit dem Kaiser und einer Delegation von Barbaren im Vordergrund.

Der o.g. Greifenkopf von einem Thraex-Helm, der im Amphitheater von Zugmantel gefunden wurde, ist ebenfalls ein starker Hinweis, dass es auch in diesen kleinen Amphitheatern Gladiatorenkämpfe gegeben hat, um die Lagerbesatzung sowie die Bewohner der vici und canabae zu unterhalten.

Fazit

Die Tatsache ist, dass Amphitheater bei Legionslagern allgemein für eine längere Daure gebaut wurden, wie das o.g. Beispiel des Amphitheaters von Chester zeigt. Außerdem waren auch die zivilen Siedlungen bei Legionsstandorten größer als bei Auxiliarlagern, so dass diese Amphitheater Unterhaltung für eine größere Masse boten. Amphitheater bei Auxiliarlagern wurden wahrscheinlich nur für einen bestimmten Zweck errichtet, z. B. dem Besuch eines Kaisers oder eines anderen Würdenträgers, obgleich sie nur für eine kurze Zeit danach in Gebrauch blieben, geschätzte 20-30 Jahre im Falle von Künzing.

Dass Gladiatoren bei den Legionären und Auxiliaren beliebt waren, beweisen die gladiatorischen Artefakte, die man im ganzen Römischen Reich gefunden hat. Den Soldaten wurde eine Art Entertainment geboten, selbst an den Rändern des Reiches, auch wenn es nicht diese aufwendigen Shows des Colosseums waren.

(Der vorliegende Text ist eine Übersetzung und Ergänzung eines Artikels, den ich für das englischsprachige Magazin Ancient Warfare geschrieben habe, der in der Ausgabe Vol. III, Issue 2, April/May 2009 veröffentlicht wurde.
http://www.karwansaraypublishers.com/cms/karwansaray/ancient-warfare/about.html )

1 Kommentar:

  1. Ein Amphitheater in Köln - wenn man drüber nachdenkt eingentlich logisch.
    Wer weiß in welchen Fundament sich heute noch Reste befinden ? Man findet ja etliche Römersteine im Fundament alter Bauwerke/Kirchen.
    Spannend.

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