Dienstag, 17. Juli 2018

Gladiatorenkämpfe und Fußballspiele

Für das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen (kurz AFM) hab ich als Gastbloggerin unter obigem Titel einen Beitrag im Vorfeld von unserem Auftritt dort am 15.07.18 verfasst, den ich hier teilen möchte:

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Am 15.07.18, dem Tag des Fußball-Weltmeisterschaftsendspiels, findet im AFM Oerlinghausen die Veranstaltung Brot und Spiele statt, wo Gladiatoren Schaukämpfe zeigen werden. Aber Gladiatoren und Fußball, wie passt das zusammen? Sehr gut, denn die Gladiatur war beim römischen Publikum eine Sportart, die genauso begeisterte und faszinierte, wie es bei uns heute Fußball macht. Natürlich kann man die beiden Sportarten nicht vergleichen, denn das eine ist eine Mannschaftssportart, während das andere eine in Duellen ausgetragene Kampfkunst ist, bei der auch schwere Verletzungen oder der Tod eines der Beteiligten in Kauf genommen wurde. Allerdings war es nicht so, dass jeder Gladiatorenkampf mit dem Tod des Unterlegenen endete, wie es uns Hollywood glauben machen will. Auch gab es diese in Hollywood-Filmen gerne gezeigten Massenkämpfe äußerst selten. Überwiegend waren Massenkämpfe Hinrichtungen, die mittags stattfanden. Im Gegensatz zu heute, wo ein Fußballspiel zweimal 45 Minuten dauert, gab es im Alten Rom den ganzen Tag etwas im Amphitheater zu sehen, und das nicht nur an einem Tag, sondern meistens mehrere Tage hintereinander. Morgens Tierkämpfe, mittags Hinrichtungen, die aber durchaus nicht unbedingt Anklang fanden wie Seneca in seinen Briefen anmerkt:

„Ich bin durch Zufall in die Mittagsvorstellung geraten, wo ich Späße, Witze und andere Erholungen erwartete, durch die Augen der Menschen vom menschlichen Blutvergießen zur Ruhe kommen sollen. Das Gegenteil ist der Fall: was vorher ausgekämpft wurde, war reine Barmherzigkeit; Nachdem die Nichtigkeiten aufgegeben wurden, herrscht nun nichts als morden. haben nichts, mit dem sie bedeckt sind; Weil sie einem Schlag mit dem ganzen Körper ausgesetzt sind, treffen sie niemals vergeblich. Dieses ziehen mehrere den gewöhnlichen und vom Volk verlangten Fechtpaaren vor. Warum sollten sie es nicht vorziehen? Nicht durch einen Helm, nicht durch einen Schild wird das Eisen abgehalten. Wozu Schutzmittel? Wozu Kunstgriffe? Alle diese Dinge sind bloß Verzögerungen des Todes. Am Morgen werden die Menschen durch Bären und Löwen getötet, am Mittag werden sie den Zuschauern vorgeworfen." (Seneca: Epistulae Morales – Brief 7)

Aus dem Zitat von Seneca geht aber auch schon hervor, dass er bzw. das Publikum spannende Kämpfe erwartete. Und die gab es dann als Höhepunkt am Nachmittag. Seit der Reform von Kaiser Augustus kämpften Gladiatoren in bestimmten Klassen gegen festgelegte Gegner, so konnte der Murmillo (mit Großschild und Kurzschwert) entweder gegen den Thraex (rechteckiger Kleinschild mit gebogenem Schwert) oder gegen den Hoplomachus (Rundschild und Lanze) kämpfen. Es gab Zuschauer, die eine bestimmte Gruppe Gladiatoren bevorzugten, so war z. B. Kaiser Titus lt. Sueton ein Anhänger der Thraeces. Aber auch einzelne Gladiatoren konnten Fans haben, wie die Graffiti an den Wänden von Pompeji beweisen, wo Strichmännchen und Namen von Gladiatoren eingeritzt waren mit den jeweiligen Kampfstatistiken der einzelnen Kämpfer. Das kommt uns doch einigermaßen bekannt vor. Es gibt Fußballvereine, die sich rühmen der Weltpokalsiegerbesieger zu sein, was von den Fans stolz auf einem T-Shirt getragen wird, oder Aufkleber „zieren" die Ampel- und Laternenmasten, die aussagen, dass „XYZ-Fans gegen Rechts/Nazis" sind. Und Panini-Klebebilder von Fußballstars werden nicht nur ins dazugehörige Album geklebt, sondern auch auf Schulbänke oder auf die Sitze von öffentlichen Verkehrsmitteln. Es gab aber auch schon im antiken Rom Fanartikel, die Gladiatoren zeigten, so vor allem Öllampen und Terra-Sigillata-Geschirr. Aber auch Messergriffe konnten in Form eines Gladiators geschnitzt sein. Natürlich ist die Auswahl an Produkten, die ein heutiger Fußballfan mit dem Logo seines Lieblingsvereins erwerben kann, wesentlich größer.

Ob es auch Fangesänge gab, ist nicht bekannt, wohl aber ein paar Ausrufe, die bei Gladiatorenkämpfen fielen, wie „habet" (er hat's), „iugula" (stich ihn ab) oder „mitte" (Gnade, lass ihn laufen). Da Amphitheater die gleiche Zuschauerkapazität hatten wie moderne Fußballstadien, wird auch der Lärmpegel der Zuschauer entsprechend gewesen sein. Zum Beispiel fasste das Flavische Amphitheater (heute als Colosseum bekannt) ca. 50.000 Zuschauer, in etwa so viel wie das Volksparkstadion in Hamburg. Aber auch in römischen Provinzstädten gab es Amphitheater. So fasste das Amphitheater in Trier ca. 18.000 Zuschauer und in Xanten konnten immerhin noch 8.000-10.000 Zuschauer den Spektakeln in der Arena beiwohnen.

Leider sind auch Ausschreitungen unter Zuschauern im Amphitheater bekannt, dieses ist also kein typisches Phänomen der Neuzeit. Tacitus berichtet in seinen Annalen von dem wohl berühmtesten Beispiel, als im Jahre 59 n. Chr. im Amphitheater von Pompeji während einer Gladiatorenshow Auseinandersetzungen zwischen den Bewohnern von Nuceria und Pompeji ausbrachen, die mit Beschimpfungen starteten. Aber dann wurden Waffen gezogen und Steine geworfen. Die Ausschreitungen verlegten sich aus dem Amphitheater in die Straßen der Stadt, wie auf einem Fresco zu sehen ist. Der Kaiser verfügte daraufhin, dass es den Einwohnern von Pompeji für zehn Jahre nicht gestattet war, öffentliche Zusammenkünfte auszurichten. Auch das kommt uns aus der Welt des Fußballs bekannt vor, wenn man z. B. an die Katastrophe von 1985 im Brüsseler Heysel-Stadion denkt, bei der es zu Toten und Verletzten kam, nachdem Liverpooler Hooligans einen Block mit Juventus Turin Fans gestürmt hatten. Daraufhin wurden alle englischen Fußballklubs von der UEFA für ca. fünf Jahre von internationalen Turnieren ausgeschlossen.

Aber auch Annehmlichkeiten gab es im Amphitheater für die Zuschauer, wie z. B. gehisste Sonnensegel, um sie vor der Mittagssonne zu schützen. Auch unsere Stadien sind ja heutzutage meistens mit einem Dach ausgestattet, wobei es bei Regen die Zuschauer in den ersten Reihen nicht schützt. Auch konnte man sich bei fliegenden Händlern mit Essen und Trinken versorgen, wenn man nicht schon selber etwas von zu Hause mitgebracht hatte. Ferner gab es Gewinnspiele, bei denen hölzerne Bälle ins Publikum geworfen wurden, die als Gutschein für Essen, Kleidung, Pferde, Lastentiere, Vieh oder Sklaven dienten, wie Cassius Dio zu berichten weiß. Auch heute gibt es noch in der Halbzeitpause Verlosungen, bei denen die Ticketnummer als Gewinn für eine Reise oder ähnliches dient.

Die Begeisterung der Menschen für Sport und Sportler war in der Antike genauso groß wie heute, nur die Sportart mag eine andere gewesen sein, das Verhalten der Fans ist gleichgeblieben.

Svenja Grosser
ist Leiterin der Gladiatorenschule LVDVS NEMESIS und kämpft als Provocatrix und Murmillo und ist auch ausgesprochener Fußballfan.
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Quelle: https://afm-oerlinghausen.de/blog/start-de/gladiatorenkaempfe-und-fussballspiele
 

Montag, 23. Oktober 2017

Gladiatoren im Norden Englands



Während es ja am deutschen Limes Spuren von hölzernen Amphitheatern gibt (siehe meinen Blogeintrag „Militärische Amphitheater“), so scheint man bisher keine Überreste davon am Hadrianswall gefunden zu haben. Dass es aber auch Gladiatorenfans im Norden der Provinz Britannia gegeben hat, zeigen Funde aus Vindolanda, einem Fort ca. eine Meile südlich vom Wall. Der leider nicht ganz vollständig erhaltene Glasbecher mit Gladiatorenmotiv stammt von einer Glasbläserei aus Köln und hat den weiten Weg bis an die nördliche Grenze des Imperiums gefunden. 





Und während der Grabungssaison 2017 traten auch Scherben von Terra Sigillata mit Gladiatorenmotiv zutage.

 




In der großen Legionsstadt Eboracum (das heutige York) gibt es natürlich viel mehr Terra Sigillata als in den Forts am Hadrianswall. Und hier hat man ebenfalls Gladiatoren als Dekor für Schüsseln gehabt:


Aber in Eboracum scheinen auch Gladiatoren gewesen zu sein, auch wenn man bis heute keine Spuren eines Amphitheaters gefunden hat (wie bei den großen Legionsstandorten Köln und Mainz auch), obwohl so eine große Stadt mit Legionslager und der dazugehörigen Zivilsiedlung definitiv mit typisch Römischen Gebäuden wie Therme, Theater und Amphitheater ausgestattet war. Es ist ein Friedhof gefunden worden, von dem angenommen wird, dass die dort Bestatteten Gladiatoren waren. Hierzu gibt es eine TV-Dokumentation, in der es aber für mich unglaubwürdig klingt, dass es wirklich Gladiatoren waren. Selbst das Museum widerspricht sich in der Erklärung zu nachfolgendem Fundstück, wenn geschrieben wird, dass einige Knochen Bissspuren von großen Raubtieren wie Tiger, Löwe oder Bär aufweisen. Dieses ist aber ein Hinweis auf Tierkämpfer oder zum Tode durch wilde Tiere verurteilte Verbrecher. Leider konnte ich keine wissenschaftliche Publikation zu diesem Friedhof finden.

Das Fundstück, welches einem Gladiator zugeschrieben wird, ist dieses knöcherne Täfelchen, welches als Glücksbringer gedient haben soll:

Der Text übersetzt sich wie folgt: „Lord Victor, may you have a lucky win“ (Herr Victor, mögest Du einen glücklichen Sieg haben).

Das Basistraining von Gladiatoren und Soldaten war sehr ähnlich, nämlich mit Schild und Holzschwert Übungen gegen den palus machen, einen ca. 2m hohen Pfahl. Diese Übung schulte das Gefühl für den richtigen Abstand (die Mensur), aber sie stärkte auch die Ausdauer und die Kraft. Man hat nur sehr wenig Holzschwerter gefunden, mir war bis dato nur die sica (Krummschwert des Thraex) aus Bergkamen-Oberaden bekannt. Aber in Carlisle im Tullie House Museum gibt es so ein hölzernes Trainingsschwert zu sehen, allerdings aus einem militärischen Kontext, da es im Militärlager gefunden wurde:



Dass es aber auch Spielzeugschwerter und -dolche gab, zeigen Funde aus Vindolanda:



Aber ob die Kinder damit Soldat oder Gladiator gespielt haben, ist nicht bekannt.:-)